Thomas besucht uns wieder um bald darauf mit Ria die
Unterwasserwelt weiterer Riffe zu erkunden. Uschi und ich folgen den beiden
während Erich die Zeit an Bord der Santina
genießt. Man muss sich tatsächlich nur entlang der Riffe treiben lassen, um
eine Vielzahl an Fische und Seesterne zu sehen, die unbeirrt ihre Wege gehen.
Es gibt schöne Korallenformationen, die manchmal auf recht steilen Abhängen
angesiedelt sind und wo sich die Farbe des Meeres schnell von Türkis auf
Dunkelblau ändert. Das sind meist jene Stellen, wo ich gerne den schwimmenden
Rückwärtsgang einlege.
Gemeinsam mit Erich besuchen Uschi und ich das kleine
Hundebaby, dem es tatsächlich gut geht und das einen noch kleineren
Spielpartner erhalten hat, bringen der Kunafamilie wieder Kleidungsstücke für
ihre Molas und besuchen schließlich auch die Nachbarinsel Uchutupu Dummat, wo
wir einen Tisch für das heutige Guna-Yala-Abschiedsessen reservieren. „19.30
Uhr“ meint der Kuna freundlich lächelnd. Es wird Fisch geben.
Otto und Thomas von der SY Eisbär III sind mit dabei, wie guter Fisch mit Kokosnussreis und
Cole-Slaw serviert wird, wo immer noch die heutigen Taucherlebnisse nahezu spürbar
erzählt werden und wir doch auch ein wenig diese wundervolle Zeit in den San
Blas Revue passieren lassen. Was später an Bord der Santina fortgesetzt wird, mit einem heimlichen Abschied von den
Palmen, vom Strand, von den Riffen, den Sandbänken und nicht zuletzt von den
Kunas, diesem freundlichen und friedliebenden Volk, das sich hoffentlich noch
lange dieses Paradies bewahrt.
Wir machen uns nichts vor: Dass dieser paradiesische Zustand bis
heute überdauert hat, ist dem Überlebenswillen und der Sturheit eines kleinen
Indianerstammes zu verdanken. Die rund 32.000 Kuna haben es in den letzten
Jahrzehnten mit Kampf und öfter noch mit viel Diplomatie geschafft, ihren Lebensraum
des San Blas Archipels so lange für sich zu bewahren und ein Refugium für
Tausende seltener Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, wie er für uns in diesen
letzten Wochen sichtbar wurde. Bis heute leben sie von und mit dieser Natur und
sind so zu einem der größten unabhängigen Indiostämme der Gegenwart geworden. Bestimmt werden heute
schon von den Kunas die
Vor- und Nachteile der Zivilisation abgewogen werden, Investoren aus der
Tourismus, Holz-, Pharma- und Fischereiindustrie stehen mit großen finanziellen
Verlockungen Schlange vor den Toren von Guna Yala.
Wie
lange noch wird es diesen letzten und größten Primärurwald Zentralamerikas geben,
wie lange noch wird der bisher so eiserne Kuna-Vorsatz gelten, dass kein
Nicht-Kuna sich hier niederlassen darf und sich am Besitz der Kuna bereichern
oder die Wälder ausbeuten? Wie lange noch werden die Kuna ihrer Kultur, ihren
Riten und Mythen treu bleiben, wie lange noch wird ihre Unabhängigkeit von
Panama andauern? Fragen, die wir nicht beantworten können und auch nicht wollen.
Wir
denken an die Geschichte des jungen Fischers, der am Strand unter Palmen
liegend hinausblickt aufs Meer und seine Freizeit genießt. Ein Investmentbanker
kommt bei ihm vorbei und fragt ihn, was er hier macht. Der Fischer meint nur: „Ich
habe gerade ein paar Fische gefangen, die hab ich am Markt verkauft und jetzt
genieße ich meine Freizeit hier an diesem wunderschönen Strand.“ Der Investor
meint, er könne doch mehr als nur ein paar wenige Fische fangen, er müsse
investieren, in ein größeres Boot, dann könne er noch mehr Fische fangen, das
Geld in Aktien anlegen, an die Börse gehen, weiter investieren, ein noch
größeres Boot kaufen, noch mehr Fische fangen, Menschen beschäftigen und noch
mehr Geld verdienen. Dann fragt der junge Fischer: “Und was mach ich dann mit
dem ganzen Geld?“ Da meint der Investor nur: „Wenn du dann alt bist, kannst du
dich an den Strand unter Palmen legen und aufs Meer hinausblicken und deine
Freizeit genießen!“