Seit drei Stunden quält uns ein
Riesentanker. „Stehende Peilung!“ Cape Dawson, 900 Fuß. Um 02.15 Uhr sehen wir endlich
sein Steuerbordlicht. Langsam schiebt er sich vor uns vorbei in Richtung Osten.
„In der Nacht sieht alles ein wenig anders aus. Alles wirkt näher.“ Dann wird
es plötzlich finster am Schiff! Alle Navigationsinstrumente fallen an Bord der Santina aus! Es ist 02.45 Uhr.
„Keine Windanzeige, leine Logge, kein
Kurs, keine Tiefe, kein Autopilot!“ Handsteuerung nach Gefühl ist angesagt. Ein
Trawler taucht vor uns auf. Kurz springt der Motor nicht an. Alle guten
Vorsätze einer disziplinierten Wache sind mit einmal über Bord geworfen. Schweigen
und Nachdenken. Warten auf das Ende der Nacht. Segeln wie in früheren Zeiten,
wie in jenen, wo man nach Kompass und Karte und mit Peilen und Koppeln segelte.
Ich trage unsere letzte Position und unseren Kurs in die Karte ein. Die
Geschwindigkeit schätzen wir.
Um 06.45 tauchen Delphine neben uns
auf. Sie spielen mit dem Schiff, springen, schmiegen sich an, tauchen ab. „Ein
gutes Zeichen“ meinen wir. Dann wird es endlich hell. Ich funke den
Nachbarschiffen unser Desaster. „Wir bleiben bei euch, wir bringen euch da
durch. Alles Gute.“ Die Zusammengehörigkeit ist groß. Schön, dass man nicht
ganz alleine da draußen ist. Uschi übernimmt das Ruder, ich beginne mit dem
Check aller Kabeln, Verbindungen und Sicherungen. Es ist drückend heiß unter
Deck. Es sind keine Fehler zu finden aber es gibt eine weitere Hoffnung:
„Tommy Palmetshofer!“ Unser
Schiffsausrüster. Wir rufen Tommy über das Satellitentelefon an. Keine Minute
dauert das Gespräch: „Tommy, wir segeln gerade von Bonaire
nach Puerto Rico. Alle Geräte sind ausgefallen!“ „Die Sicherung beim Kurscomputer ist
gefallen. Backbord Achtern, neben dem Autopilot. Musst den Deckel
runterschrauben, da ist eine 5 Ampere Autosicherung drinnen. Eine orange. Die
ist kaputt. Eine Ersatzsicherung ist auch in dem Kastl.“ „Danke Tommy.“
Kurz und bündig die Analyse von Tommy
Palmetshofer, die zudem auch die richtige war, wie sich bald herausstellen
sollte. Schweißtreibende, hoffnungsvolle und letztlich auch freudige Arbeit
erwartet mich im engen Raum Achtern, neben dem Autopiloten beim Ruderquadranten.
Es hat 32 Grad und 67 Prozent Luftfeuchtigkeit. Dann funktioniert alles wieder.
Die Spannung war uns ins Gesicht geschrieben, die Entspannung ist es jetzt. Wir
funken der Manatee und der Momo die Desasterbereinigung. Auch dort
ist Erleichterung hörbar.
Der Mond geht traurig unter, wir sind
es ganz und gar nicht. „A bissl is Segeln schon auch mit Abenteuer verbunden“,
meinen wir, schön langsam beginnend, uns wieder auf einen gewissen Rhythmus
einzustellen. Es gilt Schlaf nachzuholen. Gegen Mittag haben wir noch 250 Seemeilen
bis zu unserem Wegpunkt vor Puerto Rico. Am Nachmittag ziehen einige Fronten über
uns nach Nordwesten, die See hat nicht mehr als 1,50 Meter, der Wind dreht
langsam nach Südost.
Um 18.00 Uhr geht die Sonne unter, ein
Frachter ändert seinen Kurs und geht hinter uns vorbei, Uschi beginnt die Wache
um 19.00 Uhr, ich lös sie um 23.00 ab. Unzählige Sternschnuppen sausen an der
Erde vorbei. Wir wünschen unseren Lieben und uns vieles Gutes. Millionen Sterne
und hell leuchtende Planeten sind sichtbar. Es ist Mitternacht und wir machen
gute Fahrt. Regenschauer ziehen hinter uns vorbei.