„Da haben wir ja richtig Schwein
jehabt“, ruft Helmut nach dem Frühstück lächelnd zur Santina rüber. Zum gestern begonnenen „Regen aus allen Rohren“ ist
heute noch recht heftiger Wind dazugekommen, wo wir tatsächlich noch einmal
mehr froh sind, angekommen zu sein. „Unaufhörlich wird das von oben Schiff
gereinigt“, könnte man es auch nennen. Alles ist grau in grau, zudem ist es
wesentlich kühler geworden. „Wir haben ja oft genug auf eine gute Überfahrt
angestoßen“ ruf ich zurück, dann beginnen Uschi und ich uns langsam auf Inseltouren
vorzubereiten.
„Knappe vier Millionen Einwohner hat
Puerto Rico, was `reicher Hafen´ bedeutet“, lesen wir in unseren
Hafenhandbüchern und Reiseführern. Den Namen hat der Insel ein gewisser Herr
Juan Ponce de Léon gegeben, der im Jahre 1508 begann, die Insel zu
kolonisieren, nachdem er an der Seite von Christoph Kolumbus auf dessen
Amerikareise im Jahre 1403 die Insel erstmals erreichte. Kolumbus hat Puerto
Rico zuvor den Namen San Juan Bautista gegeben, die ursprünglich von den
eingeborenen Taino-Indianern Boriquen genannt wurde, was so viel wie „Land des
adeligen Gottes“ bedeutet. Das war ein Hinweis auf ihren Glauben, dass auf dem
höchsten Berg der Insel der Gott Juracan lebt und über das Wetter herrschte.
Das Wort „Hurrikan“ leitet sich aus seinem Namen ab.
Wir denken darüber nach, morgen
gemeinsam mit Uli und Gerda in die Hauptstadt der Insel, nach San Juan zu
fahren. Drei Millionen Einwohner leben dort, eine der größten Metropolen der
Karibik, natürlich das kulturelle, politische und wirtschaftliche Zentrum von
Puerto Rico.
Uli ruft um 09.00 Uhr Hugo über Funk
und bedankt sich bei ihm in unser aller Namen für die ausgezeichneten
Wetterberichte der letzten Tage. Schön, dass es noch solche Individualisten wie
Hugo gibt, der sich jeden Tag in der Karibik um diese Zeit mit „Guten Morgen
die Runde. Ist jemand auf der QRG?“ meldet, jeden Tag diese Runde zusammenhält,
ihre Standortmeldungen abfragt, das Wetter, die See, nach anderen Seglern fragt
und selbst Wetterberichte erarbeitet und weitergibt. Im Laufe der Jahre,
Jahrzehnte müsste es heißen, haben sich
Segler „dieser Runde“ irgendwann und irgendwo einmal getroffen und kennengelernt.
Aus nahezu anonymen Funksprüchen der Yachten sind Bekanntschaften und oft auch
Freundschaften entstanden, aus Stimmen wurden auf einmal Gesichter. Auch das
kann man Hugo verdanken.
Der starke Regen erlaubt nur wenige
Arbeiten an Deck des Schiffes, wir verlegen unsere Wartungsarbeiten – eher sind
es Pflegearbeiten – ins Innere der Santina.
„Tadellos“ könnte man ihren Zustand nennen, wenngleich es immer wieder eine Checkliste
gibt, die scheinbar nicht kleiner werden will. „Hier gibt es alles“ sagt uns
Helmut, mit dem Hinweis, dass nicht unweit der Marina der Schiffsausrüster
„West Marine“ beheimatet ist, den wir natürlich auch besuchen wollen.
Auch auf den beiden Nachbarschiffen
wird gearbeitet, gereinigt, gepflegt. Am Abend bekommen wir Besuch von der SY Manatee, von Angelika und Helmut. Wir
stoßen auf die gute Überfahrt an und sprechen auch darüber. „Was wäre gewesen,
wenn wir die Navigation nicht in Ordnung hätten bringen können?“, ist so eine
Frage, die sich Uschi und ich schon gestellt, nie jedoch wirklich ausgesprochen
haben. „Wir hätten es dennoch geschafft“, mein ich nur zu diesem Thema,
wenngleich wir alle wissen, wie mühsam das alles gewesen wäre. „Wir wären bei
Euch in eurer Nähe jeblieben“ meinen Angelika und Helmut, „dat wär´ schon
jegangen.“ Danke.
Wir reden aber auch über jene Gedanken,
die uns auf See begleiten, während des Tages und vor allem während der
Nachwachen, wo man „ganz allein da draußen ist, der Partner schläft,
bedingungslos dem vertraut, was der andere macht, was an Bord passiert, während
das Schiff seinen Kurs durch die See zieht“. Wir reden über Sternschnuppen,
über die Sterne, über Planeten, über die Wolken, die in solchen Formationen auftreten,
die uns sagen: „Da ist jemand da oben, der auf uns aufpasst“. Genauso ist es.
Es ist ein freudig-besinnlicher Abend.
Freude über das Angekommen sein, wenngleich es nur ein paar Tage und Nächte auf
See waren, Besinnlichkeit über das, was uns generell bewegt, was man nicht
immer ausspricht, womit man ganz einfach nur lebt, was einen Menschen doch
ausmacht. Die See liefert einiger dieser Leitlinien, wie man mit dem Leben umgehen
sollte. Sie lehrt aber auch noch mehr: Die Ethik, die unseren Umgang mit
anderen Menschen bestimmen sollte.