Rund 60 Kilometer sind es von Puerto
del Rey bis nach San Juan, in die Hauptstadt. Wieder sind die
Straßenverhältnisse bestens, nur ab und zu gibt es solch kleine unscheinbare Hügeln,
meist vor Brücken, die unerwartet auftreten und nach deren passieren die Fondpassagiere
immer froh sind, nicht mit ihren Köpfen das Dach des Autos beschädigt zu haben.
„Helmut fährt am Morgen, ich am Abend“,
so haben wir es vereinbart und so ist es auch heute, wie wir schöne Landstriche
durchfahren und recht schnell die mehrspurigen Autobahnen als Großstadtvorboten
erreichen. Sie sind mit Palmen gesäumt und weisen uns den Weg durch das neue
San Juan, der Neustadt, entlang von „Condado“, einem Strandabschnitt, mit Restaurants
und Designergeschäften, Fast-Food-Ketten und Souvenirläden und natürlich mit
Hotelburgen, wo alle Klassiker sauber aufgefädelt nebeneinander liegen, bis in
die Altstadt, dem Old San Juan. In einer sehr gepflegt angelegten Lagune vor
den Hotelanlagen spiegeln sich die mittelgroßen Wolkenkratzer wieder.
Die Angaben der Einwohnerzahlen von San
Juan in den diversen Reiseführern lassen keine genauen Schlüsse zu, wie viele
Menschen hier tatsächlich leben. Hier steht, dass die Stadt rund 400.000
Einwohner hat, mit den Vororten zusammen rund 2,5 Millionen, wo anders steht
wieder, dass knapp über ein Drittel der rund 3,9 Millionen Einwohner von Puerto
Rico in San Juan leben, woraus sich rund 1,3 Millionen Einwohner errechnen
lassen.
Es spielt heute keine Rolle. Bald sehen
wir den Atlantik auf dieser LUV-Seite der Insel und wie seine langgezogenen
Wellen die Strände entlang rollen, bevor sie weiße Kronen erhalten und ihr
langer Weg langsam zu Ende geht. Cruiser liegen im geschätzten Hafen, an Bord
die neuzeitliche Art der Entdecker, die bald die Stadt für kurze Zeit beherrschen
wird. Wir fahren den Boulevard del Valle entlang und parken unseren Kia in
einer Tiefgarage inmitten der Altstadt.
Schon von weitem sehen wir die Festung
„Castillo de San Felipe del Moro“, ganz einfach nur „El Moro“ genannt. Im Jahre
1540 hat man mit dem Bau der Festungsanlage zum Schutz der Stadt vor Piraten,
Freibeutern und anderem Gesindel begonnen, damit das Gold, das man auf der
Insel in den ersten beiden Jahrhunderten nach der Entdeckung durch Kolumbus abbaute,
in Ruhe verladen und nach Europa verschifft werden konnte. Später waren es
Zucker, Rum, Kaffee und Tabak.
Eine meterdicke Festungsmauer zieht
sich über 10 Kilometer rund um die ganze Stadt, `geschmückt´ mit kleinen
Wachtürmen, die man „Garitas“ nennt. „Alles von Menschenhand geschaffen“,
denken wir und an die Sklavenarbeit, wo jeder Stein unzählige Male berührt und
getragen werden musste, bis er nach dem Abbau und dem Transport endlich seinen
richtigen Platz gefunden hat, in diesem faszinierenden Komplex aus Tunneln,
Labyrinths, Verliesen, Türmen und Rampen, einem Festungsbau in höchster
Vollendung.
Durch Schießscharten hindurch sehen wir
den vorgelagerten Friedhof, haben immer wieder herrliche Ausblicke auf den
Atlantik, der gerade in diesem Gebiet die unterschiedlichsten Tiefenangaben
aufweist und wo es nicht weit von hier im sogenannten Puerto-Rico-Graben das
Milwaukeetief gibt, das mit 9.219 Meter seine tiefste Stelle hat.
Wir besichtigen die ehemaligen
Soldatenunterkünfte, die Munitionslager, den Speisesaal, den Leuchtturm und begehen
schließlich alle sechs Ebenen, auf denen die Festung errichtet wurde. Wieder
einmal sind wir dankbar, genießen dieses „Hier sein“ und ich sage nicht zum
ersten Mal: „Uschi, wo wir sind!“ Wir sehen die schmale Einfahrt in die Bucht
„Bahia de San Juan“, denken an die Karavellen, die hier an dieser strategischen
Schlüsselstelle des spanischen Imperiums zur Zeit der Entdeckungsreisen,
Eroberungen und Kolonisation der Neuen Welt ankerten und an die großartigen
seemännischen Leistungen, die damals vollbracht wurden.
Heute ist Old San Juan
UNESCO-Weltkulturerbe, das wir besichtigen dürfen, spazieren entlang der alten
Festungsmauer, sehen wieder die kleinen `Garitas´ und auch zeitgenössische
Bildhauerkunst, bevor wir die nahezu rechtwinkelig angelegten Gassen der
Altstadt erreichen.
Wir besuchen die Kirche Catedral de San
Juan, finden hier die Marmorgruft mit den Überresten des Entdeckers Ponce de
Léon, können im Inneren auch die drei Kuppeln der Kirche erahnen, spazieren
weiter durch die Calle San Francisco bis zur Altstadt-Universität und sehen in
der Calle de La Luna ein willkommenes Hinweisschild mit der Aufschrift
„Kreolische Küche“, natürlich frei übersetzt. Das Restaurant „Airenumo“ bietet
uns eine mehr als verdiente Ruhepause am Weg unserer Besichtigungstour durch
Old San Juan. Hohe Räume, Holzbalkendecken, Innenhof. Merkmale im Inneren des
Restaurants in diesem einen, von über 800 Kolonialbauten, die diese Stadt
bilden.
Am Plaza de Colón holt uns die Zeit der
Entdecker wieder in die Realität des Besichtigens zurück. Wir stehen vor und
bestaunen die riesigen Statue von Christoph Kolumbus, bevor es ausgezeichneten
puerto-ricanischen Kaffee gibt, wir Amerikaner kennen lernen, denen es an
Herzlichkeit ebenso nicht fehlt, wie an Interesse, von wo und wie man hierher
nach Puerto Rico gekommen ist.
Noch in den Dämmerungsminuten finden
wir das Gebäude „La Fortaleza“, das in den Jahren 1533 bis 1540 erbaut wurde
und in dem heute der Gouverneur residiert. Nicht unweit davon steht die kleine
Kirche Iglesia de San José, die früher einmal die Kirche der Familie von Ponce
de Léon war.
Immer mehr Menschen strömen jetzt in
den Abendstunden in die Stadt, die einen ganz einfach nicht loslassen will und gerade
zu dieser Zeit ein besonderes Flair ausstrahlt. „Ein Abschlussgetränk gibt es
noch“, in einer Bar, die origineller nicht sein kann, wo der Wirt selbst ein
Original ist, das mehr als ferngesteuert die Getränke anrichtet und wo sich die
Gäste an den Wänden verwirklichen können.
Am Weg zum Auto sehen wir am Plaza del
Quito Centenario noch die zwölf Meter hohe Skulptur „Totem Telúrico“, aus
schwarzem Granit und Porzellan, die anlässlich des 500. Jahrestages der
Entdeckung Amerikas an diesem Platz aufgestellt wurde, bevor wir San Juan
endgültig `Auf Wiedersehen´ sagen, Dank Angelikas navigatorischer Fähigkeiten
alle Ausfahrten in Richtung Puerto del Rey finden und schließlich im
Marina-Restaurant mit wenig aufregendem Mojito den umso schöneren Tag beenden.
Morgen sollten die Rum Fabrik „Bacardi“ und das „Observatorio de Arecibo“ am Programm
stehen, wenn es nicht wieder „Besichtigungsstress“ verhindern will.