Seit Mitternacht herrscht absolute Flaute, was in der Nacht mit kleinen Ankerwachen verbunden war, weil die Vielzahl der hier ankernden Schiffe in alle Richtungen geschwojt sind. Berührungen sind ausgeblieben, die Umsicht und die Disziplin sind vorbildlich, ein wohltuendes seglerisches Miteinander auch in den Nachtstunden erlebbar, fehlender Schlaf am Morgen spürbar.
Die kleinen Scooter, die wir uns gestern organisiert haben bringen uns nach "The Settlement", in die "Hauptstadt" der Insel. Zehn bunte Schrebergartenhäuser haben sich hier verstreut an Sandwegen angesiedelt, eine kleine Kirche, alles nicht höher als die höchsten Sträucher, die wiederum den Ort in ein buntes karibisches Licht rücken. Keine Menschenseele ist zu sehen.
Wir fahren in die Loblolly Bay in den Nordosten der Insel. Draußen wieder das langgezogene Riff, das den weiß-rosa leuchtenden Sandstrand vor den Wellen des Atlantiks schützt. Die Brandung ist jedoch sehr gut zu hören. Auch hier finden wir ein nettes Restaurant mit Bar, wo vieles aus dem Schwemmgut vom Strand erbaut wurde und wo es originelle Fender von Schiffen gibt, die hier ihren letzten traurigen Ankerplatz gefunden haben.
Grün ist die Insel. Wir sehen vorwiegend Strauchgruppen verschiedenster Arten und kleine Bäume, oft Manchionell-Trees, vereinzelt Palmen, einige Flamingos, die im Inselinneren in sogenannten `Ponds´ nach Nahrung suchen. Kleine, zusammenhängende Seen. Red Pond, Flamingo Pond.
Keine Häuser weit und breit. Nahezu die gesamte Insel wurde von der British-Virgin-Islands-Naturparkstiftung zur siedlungsfreien Zone erklärt. "Keine Zersiedelung", sag ich zu Uschi. "Sehr gscheit."
Am Straßenrand weiden Kühe und wilde Ziegen. Den hier lebenden und bis zu 1,60 Meter langen Steinleguan haben wir nicht entdecken können. Die Straßen sind Betonpisten, manchmal mit wenig Asphalt belegt, dann wieder aus Sand. Vereinzelt und recht willkürlich tauchen Schlaglöcher auf, die wir "Frostaufbrüche" nennen. Man fährt auf der "falschen Seite", was uns immer wieder dazu zwingt zu sagen, "Links, links, links."
Wir besuchen den "International Airport Anegada." Ein kleines Holzhaus, ein kleiner Flieger, eine kleine Landebahn. Aber International. Die beiden Bediensteten des Bodenpersonals winken uns freudig zu. Mit Besuchern haben sie heute bestimmt nicht gerechnet.
Ganz im Nordwesten gibt es den Pomato Point, mit einem herrlichen Sandstrand und einer schönen Bucht, die wiederum durch Riffe gut geschützt ist. Ein paar Schiffe ankern hier. "Alles ist hier Sandstrand", stellen wir fest, "alles in diesem leuchtenden Weiß-Rosa gehalten, fast schon kitschig."
Der Ankerplatz hat sich geleert, der sanfte Nordwind lässt viele kleine Wellen über die Bucht laufen, eine ungewohnte und recht angenehme Ruhe ist eingekehrt. Wir ankern jetzt auf 2,70 Meter Wassertiefe, sehen hinunter auf den Meeresgrund aus Sand, mit vielen kleinen Gräsern, die eine besondere Nahrung für die Schildkröten sind. An Land wird wieder das Lobster-Essen vorbereitet. "76 Lobster waren es gestern Abend", hat uns die Dame hinter der Bar freudig erzählt, was die ganze Inselromantik doch wieder in einem anderen Licht erscheinen lässt. "Die Menschen hier müssen auch von etwas leben, die Touristen verlangen es, wir waren auch dabei."