„Jetzt taugst dir“, lacht Uschi, wie wir
unter Vollzeug am Sir Francis Drake Channel Tortola entlang segeln, die
vorgelagerten Inseln an uns vorbeifliegen, weiter zwischen St. John und Little
Thatch Island hindurchsegeln, später Great Thatch Island an Steuerbord liegen
lassen, `unsere´ Buchten Watermelon Bay und Francis Bay auf St. John nochmals
sehen, um dann hart am Wind Kurs Jost Van Dyke anzulegen. „Die Santina hat scheinbar eine ebenso große
Freude wie ich“.
Wieder eine Insel, die nach einem
niederländischen Piraten benannt ist und deren Einwohnerzahl sich seit dieser
Piratenzeit nicht verändert hat. „200 Menschen leben hier, einschließlich
jener, die der Welt nach hierher entflohen sind“, lesen wir im Reiseführer und
auch, dass auf Jost Van Dyke der Arzt und Autor Dr. John Coackley Lettsom im
Jahre 1744 geboren wurde, der nach seinem Studium in London auf die Insel
zurückkehrte und hier eine medizinische Versorgung aufgebaut hat. 1.200 Weiße
und 10.000 Sklaven zählten zu seinen Patienten.
Es ist wieder eine karibische Insel, die
karibisches Gefühl vermittelt. In jeder Hinsicht. Schon bei der Ansteuerung
haben wir die White Bay entdeckt, mit weißem Sandstrand, Palmen, bunten Hütten,
später Great Harbour, den wir anlaufen, an eine der letzten Bojen gehen und bald darauf dem Strand entlang spazieren,
nachdem wir die einzige Dinghy-Passage gefunden haben, durch die man den Ort
erreicht.
„Besser und schöner und netter geht´s nicht.“
Das leuchtende Meer, der feine Sand, Palmen zwischen denen Hängematten gespannt
sind, Holzbänke mit Blick auf die Bucht, eine Sandstraße, ein paar verwitterte
Holzhäuser, ein paar Steinhäuser, eine Kirche mit Friedhof, das Zollgebäude zum
Ein- und Ausklarieren, eine Bäckerei, ein Anlegesteg für kleine Fähren, ein
Steg für Dinghys. Und natürlich: „Foxy´s Bar!“
Jahrelang war Mr. Feliciana Callwood – wie
Foxy mit seinem bürgerlichen Namen heißt – mit seinem Schiff in Europa auf
Freiersfüßen unterwegs, lernte auf Gibraltar seine Frau Tessa kennen und kehrte
später mit ihr nach Jost Van Dyke zurück. Hier gründete er seine Tamarind Bar,
wo er seine Gäste unterhält und zu den herausragenden Persönlichkeiten der
Insel zählt. Musiker,
Geschichtenerzähler, insulares Showtalent.
Wir besichtigen seine Bar, die voll
geschmückt ist mit Flaggen vieler Nationen, Visitenkarten und Wimpel von
Schiffen, die hier vor Anker lagen. Seit heute gibt es auch eine kleine Österreich-
und eine Steiermark-Flagge bei Foxy´s.
Uschi und ich spazieren den Strand auf und
ab, sehen bald die Manatees auf einer
Bank im feinen Sand, das Sundowner-Getränk am Holztisch vom Restaurant „Ali
Baba´s“. Ein guter Platz, um hinaus auf die Bucht zu sehen, in der Hängematte
zu schaukeln oder das Ringelspiel kreisen zu lassen. Ein guter Platz auch, um
feine Ribs und guten Fisch zu essen, alles wieder karibisch zubereitet. Man
bewahrt seine Identität, man hat sich auf Jost Van Dyke noch nicht verkauft.
Schon lange suchen wir eine Conch Muschel,
mit der man jene Töne erzeugt, die die Fischer in die Bucht hinausblasen, wenn
frischer Fisch zum Verkauf am Strand angeboten wird. Alle unsere Versuche, mit
selbstgetauchten oder gefundenen Muscheln dieses tiefe Tuten zu erzeugen, waren
bisher vergeblich. Der Chef des Hauses zeigt uns eine solche Muschel und auch,
wie man daraus Töne erzeugt. Er bringt all seine Geduld auf, mir die Technik
des „Lippen stülpen und kurz und stoßweise wenig Luft reinblasen“ beizubringen,
lächelt dann aber nur noch, fast ein wenig besorgt, wie sich mein Kopf immer
mehr in Richtung Rot verfärbt, nur Luft und kein Ton aus der Muschel kommt,
alle seine Mühen vorerst vergeblich sind und ich zu ihm abschließend sage: „Louis
Armstrong.“
An Bord der Santina gibt es wieder sanfte Musik auf Virgin Radio, das
Beobachten des Sternenhimmels, die Freude darüber, das Aufgehen des „Großen
Wagen“ zu sehen, andere Sternenbilder und Planeten schon zu erkennen, wieder
andere neue zu entdecken und das sanfte Wiegen der Ankerlichter der Schiffe zu
sehen, die wie eine beleuchtete Berg- und Talbahn in der Bucht auf- und
abschwingen. „Unser Zaccapa neigt sich dem Ende zu“, meint Uschi fast ein wenig
traurig, schon lange nach „Sailor´s Midnight.“