Samstag, 17. Januar 2015

"ST. JOHN - TORTOLA - VON AMERIKA NACH EUROPA"

Wenn´s wenig Wind gibt, gibt's wieder mehr Mosquitos und auch Fledermäuse. Schon gestern Abend hat mich Helmut gewarnt und gemeint: "Macht´s die Mosquitonetze zu, es gibt Fledermäuse." Natürlich haben wir das befolgt und sind so von den netten Nachtschwärmern, die gerne Bananen in Salons österreichischer Schiffe essen, verschont geblieben.

Heute Morgen ist es nahezu windstill. Wir gehen Kurs zu den British Virgin Islands. "So schnell ist nicht einmal ein Flugzeug von Amerika nach Europa", schmunzeln wir, von den US Virgin Islands zu den British Virgin Islands, von St. John nach Tortola. Noch in der Waterlemon Bay setzen wir die gelbe Flagge, motoren die 3 Seemeilen über den Sir Francis Drake Channel, passieren genau um 12.00 Uhr die Grenze zwischen Amerika und Europa und laufen die Bucht Soper´s Hole auf Tortola an.



Kurz nach uns lauft die Manatee die Bucht an, geht ebenso wie wir an einer der hier ausgelegten Bojen und schon bald treffe ich Helmut zum Einklarieren bei Customs und Immigration, an der Nordseite der Bucht, gegenüber von Pusser´s Landing und der Soper´s Hole Marina, dort, wo die ganzen Fähren in Richtung St. John und zu den anderen Ausflugszielen anlegen.

"Karibisch", meinen wir schon nach wenigen Minuten im Büro der Offiziellen. Alles geht ein wenig langsamer, eher behäbiger, schlendrianmäßig, fast ein bisschen von oben herab, obwohl auf allen Namensschildern das ehrfurchtvolle "H.M." geschrieben steht, was vermutlich mit "Her Majesty Customer" oder "Her Majesty Immigration" gleichzusetzen ist. Wir haben Zeit, sind freundlich wie immer und so doch wieder recht schnell in den BVI´s, nach einer Sturzflut von Papieren mit Durchschlägen und Hinweisen, wie lange wir bleiben dürfen und was wir alles befolgen müssen, was ja eher wieder dem Amerikanischen ähnelt.

An Bord der Santina ersetzen wir die gelbe Einklarierungsflagge durch jene der British Virgin Islands, wo die heilige Ursula im absoluten Mittelpunkt des Geschehens steht, was Uschi sofort in ihre richtige Richtung interpretiert und meint: "Ab jetzt musst du aber besonders lieb zu mir sein." Christoph Kolumbus - wer sonst - der die Inseln auf seiner zweiten Reise in die Neue Welt für Europa entdeckte, war von der Schönheit und dem Überfluss so beeindruckt, dass er sie "Las Once Mil Virgines" nannte, nach der Legende von der Heiligen Ursula und der 11.000 Jungfrauen.



Nach dieser Legende wollte sich die christliche Tochter eines englischen Königs, das war die liebe Ursula, nicht mit einem heidnischen Häuptling verheiraten lassen. Der Verbindung stimmte sie nur mit der Bedingung zu, dass sie in Begleitung von Jungfrauen nach Rom reisen durfte. So segelte sie mit ihren ausgesuchten Jungfrauen nach Rom und bildete während dieser Reise die Damen zu einer Armee aus, mit der sie ihren zukünftigen Anvertrauten stürzen wollte. Das ganze Komplott wurde jedoch vom Häuptling durchschaut und letztendlich ließ er alle Jungfrauen und auch die Tochter des Königs hinrichten. Warum die Ursula dann doch noch heiliggesprochen wurde, haben wir bis jetzt noch nicht herausgefunden. Wie immer, in jedem Fall werde ich besonders lieb sein.



Wir besuchen die Anlage um "Pusser´s Landing", das ist jener Ort, wo sind nahezu alles gesellschaftliche Leben in Soper´s Hole abspielt. Auf engstem Raum haben sich hier in den ebenso netten wie bunten ehemaligen Kolonialgebäuden vom Feinkostladen über unzähligen `Tante Emma Läden´ bis hin zum Supermarkt, der Charterbasis, einer Marina, dem Cafe und einem Terrassenrestaurant angesiedelt.



"Diese Marina kommt für unsere Santina nicht in Frage", stellen Uschi und ich schon bei der Ankunft bei Pusser´s Landing fest, weil das Getümmel, die Hektik und der ständige Chartergästewechsel zweifellos nicht geeignete Ort sind, um ein Schiff in den BVI´s für mehrere Monate zurückzulassen. Später erfahren wir, dass ohnehin nur Tagesliegeplätze vergeben werden, was durchaus verständlich ist.

Wir fahren mit dem Taxi in die "Nany Cay Marina", im Südwesten von Tortola und sind schon während dieser kurzen Fahrt begeistert über das, was uns in den nächsten Tagen dort draußen im Sir Francis Drake Channel erwarten wird. Norman Island, Peter Island, Salt Island, Cooper Island und Virgin Gorda liegen aufgefädelt wie eine Perlenkette nebeneinander, alle Inseln nur wenige Seemeilen voneinander getrennt, die See gleicht einem Binnengewässer.



"Das könnte eine erste Möglichkeit sein", meinen wir übereinstimmend, wie wir die Superanlage der Nany Cay Marina besichtigen, die sich heute in einem mehr als gepflegten Zustand zeigt, wo es alles gibt, was das Schiffsherz und manchmal auch das der Eigner benötigt, wo die Menschen freundlich sind und vor allem, wo noch genügend Platz vorhanden ist.

Beruhigt fahren wir zurück in die erste Ansiedlung auf Tortola, die von Piraten gegründet wurde und die später der Stützpunkt von Kapitän Avery und des berüchtigten Piraten Blackbeard war, treffen wieder die Manatees, die ebenso wie wir entdeckt haben, dass man sich in Soper´s Hole sehr gut für die nächsten Tage versorgen kann.



"Würde es nicht immer wieder den Gourmettempel Santina geben, würde meine Sehnsucht nach gebackenen steirischen Lobstern mit anschließendem selbstgemachten Apfelstrudel beim Karli Schaffler in Sankt Ulrich am Waasen noch größer werden", sag ich zu Uschi nach dem Abendessen bei Pusser´s und bin zugleich sehr froh darüber, dass unser Dinghy wieder voll mit Lebensmitteln beladen den Weg vom Dinghy-Dock zur Santina gefunden hat. "Die Backhendln haben Zeit", meint Uschi tröstend, "morgen koch ich wieder am Schiff."