Helmut hat die ausgezeichnete Gabe, die
besten Anker- und Marinaplätze zu finden, die in Einflugschneisen von Flughäfen
liegen. Waren wir schon in Isla de Culebra am Ende des Flughafens vor Anker, so
liegt auch die Crown Bay Marina nicht unweit des Cyril E. King Airport
entfernt, besser gesagt, am Ende der Startbahn. Waren es in Culebra kleine Inselhüpfer,
die wir kurz nach dem Start beobachten konnten, so sind es jetzt schon recht
große Maschinen, die bereits kurz nach Sonnenaufgang über unsere Mastspitzen
ihren meist weit entfernten Zielen entgegenfliegen.
Wieder bringt uns eine Art Taxibus ins
Zentrum vom Charlotte Amalie, weil nach dem Hafenhandbuch doch noch einige
Sehenswürdigkeiten am Tagesprogramm stehen, die besichtigt werden sollten. „Die
Seilbahn St. Thomas Skyride fährt täglich alle neun
Minuten vom West Indian Cruise Ship Dock hinauf zum Paradise Point“, steht im
Reiseführer vermerkt. Vergessen hat man hinzuzufügen, dass sie dann nicht
fährt, wenn kein Cruiser am West Indian Cruise Dock festgemacht hat. Der
Taxifahrer hat uns auf diese Tatsache aufmerksam gemacht und zugleich gemeint,
es gibt nur ganz wenige Tage, wo kein Cruiser in St. Thomas anlegt.
Heute
ist so einer dieser wenigen Tage und demnach ersparen wir uns den Ausflug
hinauf ins Paradies, wo es wieder schöne Ausblicke geben soll und besuchen den
Obst- und Gemüsemarkt am sogenannten Market Square, am Ende der Main Street.
Auch hier hat man das Gefühl, dass nur das angeboten wird, was für wenige
Besucher und noch weniger einheimische Bevölkerung angeboten werden muss, denn
die Auswahl an frischem Obst und Gemüse kann man durchaus als spärlich
bezeichnen.
Dennoch,
der Markt hat seine Geschichte, die spürbar ist, denn der Markte Square war der
größte Umschlagplatz für Sklavenhandel im westindischen Raum. Obwohl die Dänen
als erste Nation schon 1792 den Handel mit Sklaven abschafften, bleibt die
Tatsache bestehen, dass sie einst dieses lukrative Geschäft kommerziell
ausbauten. Genau hier an diesem Platz in St. Thomas.
Wir
spazieren weiter, eine Parallelstraße zur Main Street entlang und sehen, dass
hier nicht mehr jener Luxus dargestellt ist, der den Kreuzfahrttouristen und
auch uns als ein erster Eindruck von Charlotte Amalie geboten werden soll. Bald
erreichen wir den „Emancipation Park“, am Ende des ganzen Einkaufsrummels, wo am
3. Juli 1848 der Gouverneur Peter von Scholten die Sklavenbefreiung proklamierte.
Nicht
weit davon entfernt steht die protestantische St. Frederikskirche an der Norre
Gade, die wir besichtigen und wiederum in der Nähe vom Park hat man das Fort
Christian errichtet, eine imposante Festung mit zinnengekrönten Mauern.
Das
großartige Bauwerk gilt als eines der ältesten Bauwerke der europäischen
Besiedelung. Neben seiner ersten Funktion als Festung war es später
Gouverneurspalast, Gefängnis, Kirche, Kaserne, Gerichtshof, Polizeistation und
ist heute ein Museum. Es wird gerade restauriert und ist somit auch nicht für
Besichtigungen geöffnet.
Wieder
spazieren wir zwischen ehemaligen Lagerhäusern und Magazinen, die heute ohne
Kreuzfahrttouristen wie ausgestorben und verlassen wirken, eher einen
trostlosen, fast resignierenden Eindruck hinterlassen, trotz allem Funkelwerk,
das nach wie vor zur Schau gestellt wird.
In
einer kleinen Antiquitätenhalle werden Uschi und ich fündig. Ein wunderschöner Globus
mit einer alten, nachgebildeten Darstellung der Kontinente zur Zeit der
Entdecker steht hier einsam und verlassen auf einem rostigen Eisengestell in
einem Eck, wo er sicher nicht bleiben darf, wie wir schnell feststellen und wo
nur der Ansatz von einem Kaufinteresse alle wachrüttelt, weil das Zerlegen
ebenso wie das Verpacken doch sehr viel Logistik in Anspruch nimmt, denn „das
Ganze muss nach Europa, nach Austria, nach Styria.“ Dort wird er auch bald in
einem Wohnzimmer stehen.
Vollbepackt,
wie es nach einem „Duty-free-Shopping“ sein muss, finden wir bald wieder den Weg
zurück zur Santina, schauen uns die
neusten Wetterberichte an, die wieder viel Wind voraussagen und wir dennoch
weiter wollen ein wenig in Richtung Osten, nach St. John.
„Seekarten,
Hafenhandbuch, Chartplotter, Wegpunkte, Lebensmittel, Getränke, Wassertanks“,
alles ist schon fast zur schönen Routine geworden, die auch bald erledigt ist,
an Bord der Santina ebenso wie an
Bord der Manatee und nach getaner
Arbeit wir uns bald wieder treffen im Marina-Restaurant, zum fast schon
traditionellen Insel-Auf-Wieder-Sehen-Abschieds-Essen. Wir haben derart viel
Spaß an diesem Abend, dass wir uns heute nicht die bald erforderliche Frage
stellen wollen: „Wie lange noch?“ Vorerst geht’s einmal gemeinsam nach St.
John.