Der leichte Schwell der von der Karibischen See langsam über den
Pillsbury Sound in die Bucht gelaufen ist, hat die Nachtruhe nicht sonderlich
gestört. Wir frühstücken an Deck und Erich meint lachend, meine weichen
Frühstückseier sind die besten der Karibik, bevor wir auslaufen und noch einmal
die Karibik spüren, die wegen dem seit Tagen andauernden Südwind recht
ordentliche Wellen nach St. Thomas schickt.
Das AIS zeigt uns, dass die „Singelgracht“
zu unser aller Überraschung schon angekommen ist! „Die liegt schon vor der
Reede“, ruf ich zur Crew, „das gibt’s doch nicht!“. Die Singelgracht ist jenes Containerschiff, das unsere Santina zurück nach Europa bringen soll.
„Zwei Tage früher als geplant!“ Jetzt wird recht schnell alles wieder einmal `Das
letzte Mal´. „Man wird schon ein wenig sentimental“ denke ich am Weg entlang
der Südküste von St. Thomas.
Wir passieren die Capella Islands, eine kleine vorgelagerte
Inselgruppe, halten ausreichend Abstand vom Packet Rock, der mit einem Gefahrenzeichen
gut betonnt ist und segeln bald zwischen den Inseln Hassel Island und Water
Island in den East Gregerie Channel hinein, so lange, bis wir in der Abdeckung
der Insel sind. Dann runden wir Banana Point im Norden von Water Island und
sehen schnell die orangefarbene Singelgracht
an der Reede, die bereits mit dem Verladen der ersten Schiffe begonnen hat.
„Seemann lass dir Zeit, es eilt“, sagt ein Sprichwort, das jetzt
wenig zur Beruhigung beiträgt, nachdem uns unser amerikanischer Agent allen
Ernstes am Telefon mitteilt, dass unsere Santina
bereits heute Nachmittag verladen wird. Es war wieder so ein chaotisches
Telefonat wie all jene in den Tagen und Wochen zuvor, wo wir ganz einfach nur
wissen wollten, wann und wo genau die Singelgracht
ankommt und wann und wo und wie die Santina
verladen wird. Heute hat er nicht einmal mehr gewusst, ob wir ein Katamaran
oder eine Slup sind.
Es ist 11.50 Uhr, wie wir an eine Boje in der Ruyter Bay gehen, mit
Blickbeziehung zur Singelgracht und
gleich gegenüber der Crown Bay Marina, die uns mit wenig Bedauern am Funk
mitgeteilt hat, dass sie nicht einmal für wenige Stunden einen Liegeplatz für
uns frei hat, wo wir gerne das Schiff für ihre Reise über den Atlantik vorbereiten
wollten.
Uns bleiben nur wenige Stunden um die Genua zu bergen, das
Großsegel zu verzurren, das Schiff unter und an Deck klar zu machen und nicht
zuletzt um unsere Koffer zu packen und Ria und Erich an Land zu bringen. „Wir
haben noch nicht einmal ein Zimmer“, stellen wir während der Arbeit fast so
nebenbei fest und auch, „Es ist Karneval auf St. Thomas“, was alles nicht
gerade leichter machen wird.
Alles gelingt. Es ist unglaublich heiß, das Team perfekt
eingespielt. Bald legen wir an der Tankstelle in der Crown Bay Marina an. „Aus-
und Einsteigen ist hier nicht möglich“ meinen die wenig freundlichen Jungs am
Marinagelände, nachdem Erich und Ria die Santina
bereits verlassen haben. Mit allen unseren Gepäckstücken und um alle weiteren
Inselschritte zu organisieren. Eine mit ein wenig Enttäuschung entrichtete
„Anlegegebühr“ hat dann die andere Seite an der Anlegemole wieder beruhigt.
Uschi und ich gehen wieder zurück zum Ankerplatz, beobachten die
Verladung einer Superyacht, was alles in allem und von Minute zu Minute zur
Steigerung der Spannung beiträgt. Dann motoren wir die wenigen Meter in
Richtung Bordwand der Singelgracht,
die immer höher zu werden scheint, je näher wir an das Schiff kommen. Knappe
zwei Stunden kreisen wir vor und entlang dem Frachter, bis die Superyacht
wieder vom Deck ins Wasser gelassen wird. „Falsche Schiffsangaben“ erzählt uns
später Toni, der bayrische Taucher, der die Gurte des Kranes unter den Schiffen
an den richtigen Stellen des Unterwasserschiffes platziert.
Wir gehen längsseits an der riesigen Bordwand des Frachters. Lange Leinen fallen von Deck zu uns herunter. „It´s Dinner Time“ rufen uns die Jungs von ganz oben plötzlich zu und auch Toni der Taucher verabschiedet sich mit einem Lächeln. Uschi und ich müssen schmunzeln, wie wir so alleine im Cockpit der Santina sitzen, die riesige orange Stahlwand des Frachters neben uns, die Sonne langsam untergehend. „Müssen wir hier übernachten?“
Irgendwann werden Schweinwerfer eingeschaltet, kündigen die
Fortsetzung der Verladearbeiten an. Ein zweites Schiff geht längsseits. Toni
der Taucher kommt wieder. „Die Ladeordnung sagt, dass ihr das letzte Schiff
seid, das heute verladen wird“, ruft er uns zu und noch einmal dürfen wir das
Kranen einer Yacht aus nächster Nähe beobachten. Endlich kommen dann doch recht
klare Anweisungen von ganz oben. „Achterstag weg, Dirk nach vorne, Leinen
befestigen“. Dann hebt sich langsam unsere Santina
aus der Karibischen See, wird vorsichtig entlang der Bordwand hinauf gekrant,
bis zu einer ersten Ladefläche, wo Uschi und ich recht vorsichtig von der Santina zur Singelgracht hinübersteigen müssen, auf das riesige Deck des
Frachters.
Alles scheint jetzt noch größer, noch weiter, alles ein wenig überdimensioniert. Unzählige Menschen sind hier an Deck, viele scheinen noch Kinder zu sein, alle mit Helm, festes Schuhwerk, Arbeitsmontur mit Leuchtstreifen. Uschi und ich dürfen noch einmal an Bord um alles für die Reise des Schiffes über den Atlantik klar zu machen. „Die Santina hat einen guten Platz“ stellen wir beide zufrieden fest, wie wir vor dem Schiff stehen, sehen, wie das Schiff festverzurrt nahezu in Decksmitte aufgestellt ist, die Ladeböcke an Deck verschweißt sind. „Auf Wiedersehen in Europa“ sagen wir schon recht leise, dann fließen doch Tränen, die man nicht verbergen will, geht doch eine wunderschöne Zeit zu Ende. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt.
Während all dieser Stunden haben Erich und Ria ein Hotel
gefunden, wo wir uns alle wieder sehen, nicht jedoch ohne ein Abschiedsgetränk
zuvor in der Marina Bar, unseren ersten Inselgetränken ohne Schiff. „Wie
hättest du gerne die Eier morgen? fragt mich Erich nach weiteren
„Alles-ist-gut-gegangen-Getränken“ an der Strandbar der lieblichen kleinen
Hotelanlage an der Lindbergh Bay, an der die Wellen der Karibik lautstark
anrollen, bevor sie brechen und im Abendlicht des Mondes an den Strand laufen.